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04.01.2014 / 20.01.2019
Die Technik der Radioröhren basiert auf der Elektrotechnik und Elektronik. Die meisten Röhren arbeiten nur mit einem Vakum im Röhreninneren. Nur so kommt ein steuerbarer Stromfluß von der Kathode zur Anode zustande.
Grundsätzlich stellen Röhren Widerstände mit beeinflußbaren Parametern dar. Auch wird die Wirkung einer Rähre gerne als Vierpol beschrieben. Der Haupteinsatzzweck in der Radiotechnik ist die Verstärkerfunktion für die Steuerspannung und daneben die Gleichrichterfunktion.
Bei einfachen Radios (Audion, Rückkopplungsaudion, Einkreiser, Zweikreiser) übernehmen Röhren u.U. Hochfrequenzverstärker, Gleichrichter- und Niederfrequenzverstärker-Funktionen.
Bei Superhet-Empfängern kommt neben der (u.U) Hochfrequenzverstärker-, Gleichrichter-, Niederfrequenzverstärker-Funktion noch die Mischstufen-, Oszillator- und Zwischenfrequenzverstärker-Funktion hinzu.
Ausser bei reinen Gleichrichterröhren (für Hochfrequenz- und Netzfrequenz) haben Radioröhren Steuergitter. Diese Steuergitter können mit sehr kleinen Steuerspannungen große Spannungs- und / oder Stromänderungen an der Anode der Röhre erzeugen, was eben die Verstärkerwirkung ausmacht. Neben Dioden kommen in der Radiotechnik hauptsächlich Trioden, Tetroden, Pentoden zum Einsatz. Für Mischstufen und AM/FM-Demodulatorstufen kommen oft Mehrgitter- / Mehrsystem-Röhren zum Einsatz. Beispiele ECH81, EBL71.
Um die zum Teil komplexen Röhrenfähigkeiten graphisch darstellen zu können, werden gern Kennlinien verwendet. Diese Graphiken zeigen die Abhängigkeiten zwischen Steuerspannungen und Ausgangsspannungen / Strömen dar. Da Röhren nichtlineare Bauteile sind, kommt es bei vielen Aufgaben darauf an, die Verstärkerwirkung nicht nur groß zu gestalten, sondern die Signalform möglichst unverzerrt weiterzugeben. Deshalb sollte ein HF / NF - Verstärker auf einem Kennlinienteil arbeiten, der die Signalform so wenig wie möglich beeinflußt.
Das ist in der Regel bei einer Kennlinien-Position A der Fall. Wird der Arbeitspunkt in Richtung B verschoben, wird das Signal verzerrter bis hin zur Gleichrichterwirkung. Das Gleiche gilt sinngemäß für den Arbeitspunkt C. Bei Gegentakt-Endstufen wird oft ein Arbeitspunkt AB gewählt.
In Abhängigkeit der Gittervorspannung und des überlagerten Steuersignals ändert sich der Anodenstrom.
Das Gittersignal stellt die unten liegende horizontale Linie dar.
Der resultierende Andodenstrom wird mittels der vertikalen Linie gezeigt.
Bei Kennlinienpunkt B findet eine reine Gleichrichtung mit nur geringer Verstärkung statt.
Bei Kennlinienpunkt AB würde eine Verstärkung für Gegentaktendstufen gewählt werden.
Bei Kennlinienpunkt A ergibt sich eine höhere Verstärkung bei linieare Weitergabe der Eingangssignalform.
Bei Kennlinienpunkt C wird ein Signal stärker verzerrt. In der Radiotechnik wird das aber nur (bedingt) beim Audion
in bestimmten Betriebszuständen genutzt, ansonsten eher in Senderverstärkern und Sendeendstufen verwendet.
Generell gilt: Veringert sich die negative Vorspannung am Steuergitter, erhöht sich der Anodenstrom. Dadurch verändert sich die "Polarität" des Steuersignals am Anoden-Aussenwiderstand um 180 Grad.
Um die Fähigkeiten einer Radioröhre beschreiben zu können, werden mathematische Formeln verwendet. In der Radioröhrentechnik sind u.A. folgende Begriffe (die auf Formeln basieren) Grundbestandteil:
Der Innen- und Aussenwiderstand der Röhre liegen in Reihe. Bei reiner Spannungsverstärkung ist ein eher hoher Aussenwiderstand sinnvoll. Soll dagegen für eine Lautsprecherendstufe ein Außenwiderstand gewählt werden, sollte dieser eine möglichst hohe Leistungsverstärkung sicherstellen.
Steilheit: Damit kann die Verstärkungsfähigkeit einer Röhre bei gleichem Steuersignal-Pegel beurteilt und mit anderen Röhren verglichen werden. Die Steiheit wird durch Messung des Anodenstroms (besser dessen Änderung) bei Nähe des Kennlinienpunkt A durch Änderung der Steuerspannung um 1 Volt ermittelt. Je größer diese Änderung ausfällt, desto "steiler" ist die Röhre.
Formel: S = (Delta) Ia / (Delta) Ug
S=Steilheit, Ia=Anodenstrom, Ug=Gitterspannung
(Dabei gilt die Annahme, daß der Anodenwiderstand den Wert 0 Ohm aufweist. Die tatsächliche Röhrensteilheit ist in üblichen Schaltungen mit Anodenwiderstand deshalb geringer, insbesondere ist das bei Trioden so. (Danke für den Hinweis von "nobbyrad58" aus dem WGF))
Durchgriff: H.Pitsch beschreibt in seinem Buch "Lehrbuch der Funkempfangstechnik" den Durchgriff so: "Der Durchgriff gibt den prozentualen Anteil der Anodenwechselspannung an, welcher, am Gitter wirksam gedacht, dieselbe Steuerwirkung auf den Anodenstrom wie die Anodenwechselspannung ausübt." Bei Trioden (ohne Raumladefunktion) ist der Durchgriff zugleich das Verhältnis der Anoden/Kathoden-Kapazität zur Gitter1/Kathoden-Kapazität. Der Durchgriff ist um so höher, je näher am Gitter 1 heranreicht und je grobmaschiger dieses Gitter ist.
Einige Radioröhren sind Regelröhren. Das bedeutet, in Abhängigkeit von der eingestellten Gittervorspannung können unterschiedliche Röhren-Steilheiten eingestellt werden. Dadurch können z.B. gut Regelspannungsstufen gesteuert werden. Regelröhrenkennlinien verfügen über eine leicht andere Kennlinienform. Die möglichst lineare Anstiegteil ist "runder" ausgeprägt. Ein Beispiel für eine Regelröhre ist die EF85 (im Gegensatz zur EF80).
In Röhrentabellen (Röhrentaschenbüchern) werden u.A. die Innenwiderstände, die jeweils besten Außenwiderstände, die Steilheit und (seltener) der Durchgriff angegeben.
Weitere wichtige Angaben sind: Heizspannung, Heizstrom, Gittervorspannung für Arbeitspunkt A, Heizart (direkt, indirekt), Anodenspannung (vor Außenwiderstand), Anodenstrom, Strom über andere Gitter - insbesondere Schirmgitter), Klirrfaktor bei Arbeitspunkt A (manchmal auch für Gegentakt), Bei Leistungsröhren NF-Ausgangsleistung), Anodenverlustleistung, seltener Grenzfrequenz. Gesondert werden die Beschaltungen der Röhre und deren Sockeltypen gezeigt. Dabei werden die Röhrensockel / Röhrenfassungen eigentlich immer von unten gezeigt.
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Eine typische Röhren-Daten-Tabelle
Uh=Heizspannung, Ih=Heizstrom, Sockel=Sockelform, Ua=Anodenspannung, Ia=Anodenstrom
Na=Ausgangsleistung, Ug1=Gitter1-Vorspannung, Ug2=Gitter 2 Spannung, Ig2= Gitter 2 Strom,
S=Steilheit, Rg1=Gitter 1 Ableitwiderstand, Ri=Innenwiderstand, Ra=Außenwiderstand,
Rk=Kathodenwiderstand, Cga=Gitter/Anodenkapazität, Ce=Eingangskapazität, Ca=Ausgangskapazität,
u(my)=u-Faktor, Ik=Kathodenstrom, Qg2=Schirmgitterverlustleistung, Qa=Anodenverlustleistung
Endverstärkerröhren (z.B. AL4) haben großflächige Kathoden, um hohe Stromstärken und damit Leistung zu liefern. Der Außenwiderstand ist zumeist relativ niederohmig mit ca. 2000 bis 10000 Ohm (Impedanz). Reine Spannungsverstärker (HF/NF-Vorverstärker, z.B. VF7) haben dagegen typische Werte von 50000 bis 250000 Ohm.
Leistungsendtufenröhren werden fast immer über NF-Ausgangstransformatoren an die niederohmigen Lautsprecher (4-5 Ohm Impedanz) angepasst. Die Impedanz der Primärseite dieses Trafos entspricht immer dem Außenwiderstand der Röhre. Diese Impedanz tritt bei 1000 (800) Hz auf.
Eine Röhren-Stereo-Endstufe mit den Mehrsystemröhren ECLL800 im Gegentaktbetrieb:
1 und 2 = Röhrenausgangstrafo linker Kanal und rechter Kanal.
3 und 4 = 2 x ECLL800
5 = Vorstufenröhre
Trioden, Schutzgitterröhren, Schirmgitterröhren, Bremsgitterröhren, Fanggitterröhren, Spanngitterröhren: Die ersten Radioröhren waren Trioden mit Kathode, Steuergitter und Anode. Es stellte sich bald heraus, daß diese Röhren nicht für alle Einsatzzwecke optimal waren.
Bald kamen deshalb Röhren mit einer weiteren Elektrode auf den Markt. Dieses Zusatzgitter wurde Schutzgitter benannt. Schutzgitterröhren haben gegenüber der Triode den Vorteil eines höheren Innenwiderstands und eines kleineren Durchgriffs. Wird das Schutzgitter noch so konstruiert, daß das Steuergitter elektrostatisch von der Anode getrennt wird und somit die Gitter-1 / Anodenkapazität deutlich herabgesetzt wird, nennt man dieses Gitter Schirmgitter. Das Gitter kam zwischen Gitter 1 und Anode und wurde ummeist mit einer zur Anodenspannung verringerten Gleichspannung versorgt. Dieser 4-Gitter-Typ wird als Tethrode (Tetrode) oder Schirmgitterröhre benannt. Hauptvorteile bringen Schirmgitterröhren in HF-Stufen.
Der nächste Entwicklungschritt war die Röhre mit Schirmgitter und zusätzlichem Brems- oder Fanggitter. Dieses Gitter wurde zwischen Schirmgitter und Anode angebracht und direkt mit der Kathode verbunden. Dieses Gitter verhindert, daß Elektronen, die von der Kathode zur Anode gewandert sind, von dort zurückschlagen und "falsch herum" zum Schirmgitter geraten. Ohne das Gitter verringert sich in bestimmten Bereichen der Anodenstrom (Kennlinien-Delle). Der Röhrentyp wird Penthode genannt.
Gelegentlich wird aber genauer unterschieden und es treten Unklarheiten auf. Es gibt Tethroden (also 4-Elektrodenröhren), die als Penthoden bezeichnet werden, weil sie durch besondere Bauformen sich wie "echte" Penthoden verhalten. In NF-Vorverstärkern, sowie in Audionstufen würden Schutzgitterröhren völlig ausreichend sein, also keine Schirmgitterröhren.
Eine besondere Form zeigt sich bei den Spanngitterröhren. Während bei "normalen" Röhren die steuernden Gitter relativ frei lagen und somit auch mechanisch schwingen konnten, waren hier diese Gitterwendel sehr straff gespannt. Ausserdem oft auch mit sehr dünnen Draht gewickelt, der Abstand von der kathode zum Steuergitter sehr gering, so ergaben sich auch teilweise bessere Daten der Spanngitterröhren (Rauschen, Steilheit, Mikrofonie-Dämpfung, geringeres elektrisches Mitschwingen, höhere Grenzfrequenz). Der Fabrikationsaufwand (Genauigkeit, Toleranzen, mechanische Beanspruchung der Gitterrahmen) war recht hoch, vielleicht mit ein Grund, warum diese Technik erst in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts aufkam.
Zuerst in der kommerziellen Technik (Poströhren (C3g)) dann später in der Unterhaltungselektronik (hauptsächlich im Bereich Fernsehtechnik, in der Radiotechnik eher selten, z.B. die EF184 im Philips Capella Tonmeister) oder ebenfalls im Biennophone Celerina E6400, im Philips Saturn B8D51A Stereo, sowie in Messgeräten (z.b. Röhrenvoltmeter Nordmende RV55 , alias Grundig RV55) eingesetzt.
Eine Liste von solchen Röhren kann beispielhaft genannt werden:
E88CC, E86C, EC86, EC88, EC93, ECC83 (teilweise), ECC86, ECC88, ECC189, ECC803S, EF183, EF184, EL503,
PC86, PC88, PC93, PC900, PCC88, PCC189, PCF86, PCF200, PCF801, PL802.
Beispiele für amerikanische Spanngitterröhren: 6DJ8, 6ES8, 6922, 6N23P, 6S19P, 6N23P, 7DJ8
Röhren-Temperaturen:
Radioröhren können, je nach Röhrentyp, von handwarm bis mehr als "kochend" heiß werden. Eine kleine Batterieröhre, wie z.B. die DF96 wird kaum warm, auch sieht man nur wenig den innen glühenden Heizfaden.
Dagegen wird z.B. eine EL84 richtig HEISS. Anfassen im Betrieb unmöglich. Eine EL84 glüht auch gut sichtbar tief innen aus dem Kathodenbereich. Allerdings darf das Anodenblech nicht anglühen! Das würde auf falsche Betriebsparameter hinweisen oder Fehler in der Röhrenstufe (z.B, defekter Gitter-1 Koppel-Kondensator).
Hohe Temperaturen bedeutet auch Verschleiss, Röhren waren Verbrauchs-Artikel, die sich im Laufe der Jahre in ihren elektrischen Daten abnutzten oder auch Fehler ausbildeten (Schlüsse, Unterbrechungen, Aussetzer, usw). Das war auch der Grund für die leichte Austauschbarkeit der Röhren (Steckfassungen). Aber gerade die Steckbarkeit war eine Störquelle durch Oxidation der Kontakte.
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Datenmaterial: Wer sich mit Röhren beschäftigt, kommt ohne Röhrendatenbücher nicht aus. Heute (2019) wird es schon schwieriger Röhrenhandbücher zu beschaffen (schwierig, aber nicht unmöglich). Es hat noch in den neuziger Jahren Reprints gegeben. Aber auch Original-Bücher von Röhrenfirmen oder Technikverlagen sind noch beschaffbar.
Hier eine kleine Auflistung einiger Handbücher, die nicht nur von Röhrenfirmen direkt angeboten wurden:
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