Die Sende- und Empfangsversuche von Professor Slaby und Graf Arco 1897
und der Jubiläumsversuch von 1997
Von Rainer Steinführ
In der Nähe von Berlin und Potsdam liegt der kleine Ort Sacrow. Im August 1897 installierten Professor Adolf Slaby und Georg Graf von Arco die erste deutsche Sendeantenne * auf dem Turm der Heilands-Kirche in Sacrow. Heute ist dort eine Erinnerungs-Tafel zu finden.
Professor Slaby nutzte dabei die Erfahrungen von Marconi, die er zuvor in England bei einem Versuch beoachten konnte. Später löste er sich von dem Antennenaufbau von Marconi und entwickelte das System weiter.
* = Die wirklich ersten Sende-Versuche fanden aber schon vorher in Berlin statt. Im Juni 1897 wurden die ersten Funk-Verbindungen zwischen der "Technischen Hochschule Charlottenburg" und der "Chemischen Fabrik Beringer" am Salzufer durchgeführt. Entfernung 50 Meter.
Peinlichkeit 2011: Das Land Berlin entwidmete 2011 das Ehrengrab Berlins des Georg Graf von Arco auf dem Stahnsdorfer Friedhof. Das passt leider ziemlich gut zum Desinteresse des Landes Berlin, in der Potsdamer Straße (am Ort des ehemaligen Voxhauses) eine Gedenktafel "Hier stand die Wiege des deutschen Rundfunks") anbringen zu lassen...
Es wurden kurz vor den Sacrow-Versuchen schon recht erfolglose Versuche zwischen Matrosenstation und der Pfaueninsel (ca. 3,5 Km) durchgeführt. Erst später nach Feinabstimmung der Technik und der Antennen gelang auch auf dieser Strecke der Versuch hinreichend stabil.
Nach weiterer Optimierung (Verlängerung der Antennen, usw.) konnten auch bald grössere Entfernungen (Beispiel Schöneberg/Berlin nach Rangsdorf bei Zossen mit 21 Km) unter Verwendung von Ballons für die langen Antennen überbrückt werden.
Weitere Informationen über Professor Adolf Slaby und Georg Graf von Arco finden Sie hier.
Hundert Jahre deutsche Funktechnik, Jubiläum. Sende-Versuch von Prof. Slaby und Graf Arco!
Bei der Kirche von Sacrow wurde am 30.8.1997 der Sendeversuch erfolgreich wiederholt. Der Sender und Empfänger wurden rekonstruiert.
Diese Versuche wurden unter Mitarbeit des "Deutschen Technik-Museums Berlin" (vormals Museum für Verkehr und Technik) zusammen mit Prof. Mönnich und Herrn Rücker erarbeitet. Es war sehr eindrucksvoll, die Funken des Induktor-Senders zu sehen und zu hören.
Die Empfangs- Station wurde 1,3 Km entfernt am "Matrosenhaus" in Potsdam aufgestellt. Von dort wurde via Amateurfunk-Report der Empfang bestätigt. Die Funken konnten auch im Koffer-Radio direkt in Sacrow wahrgenommen werden. Der Empfänger wurde bei diesem Jubiläumsversuch zuerst auch in Sacrow gezeigt. Anschliessend fuhr Herr Rücker mit dem Empfänger per Boot rüber zur ehemaligen Matrosenstation in Potsdam und baute die Empfangsapparatur dort auf. Die Antenne wurde mittels eines Helium-Ballons errichtet.
Weitere Informationen zu Slabys Versuchen sind seinem Buch "Entdeckungsfahrten in den elektrischen Ozean" von 1911 zu entnehmen. Ich selbst besitze ein Exemplar und halte es in Ehren.
Funkenstrecke als Nachbau und Vorzeige-Objekt. Sie wurde bei dem folgenden Versuch nicht genutzt. |
Während des Jubiläum-Festaktes. |
Der rekonstruierte Induktor-Sender. |
Die Funkenstrecke des Versuchsaufbaues. |
Der komplette Fritter - (Cohärer) Empfänger. |
Nahaufnahme: Fritter (Cohärer) und Klopfer. |
Bei dem Versuch diente ein kleines Mini-Zeiger-Messinstrument als empfindliches Klopfer-Steuerrelais. |
Relais, Batterien, Anzeige-Klingel, rechts Klopfer |
Während des Jubiläum-Festaktes. |
Sicht von der Heilandskirche hinüber zur Matrosenstation auf der Potsdamer Seite.
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Sicht von der damaligen Empfangs-Stelle auf der anderen Wasserseite am sogenannten Matrosenhaus. |
Für den technisch Interessierten:
Sender: Als Sender dient ein Funkeninduktor mit Wagnerschen Hammer. An der Funkenstrecke schlagen kleine Funken über. Diese Funken generieren Hochfrequenzaussendungen die sich drahtlos fortpflanzen. Das Sendesignal wird mittels einer Morse-Taste im Takt des Morsekodes getastet. Die verwendete Sendeeinrichtung strahlt das Hochfrequenz-Signal recht breitbandig ab. Eine gewisse Selektion ergibt sich eigentlich nur aus der Antennenlänge.
Allerdings streiten sich Fachleute hier, ob es sich dabei wirklich um eine Lambda / 4 oder Lambda / 2 Abstrahlung oder eine gänzlich unresonante Abstrahlung handelt. Bei dem Hundert - Jahre - Versuch war ein Funkmesswagen dabei, der eine gewisse Resonanzüberhöhung des Breitband-Schnarrens bei 21 MHz festgestellte. Hätte es zu dem 1897-Zeitpunkt schon mehrere Sender und Empfänger im Versuchsgebiet gegeben, wäre eine ungestörte Nachrichtenübertragung auf zwei Funkstations-Wegen kaum möglich gewesen. Sender und Empfänger werden mit Erde (eigentlich Metallplatten im Wasser) und Luftleitern (später Antennen genannt) verbunden. Beim Sender kommen diese Leitungen an die Funkenstrecke, beim Empfänger an die Fritterkontakte.
Empfänger: Der Empfänger besteht aus zwei Stromkreisen, dem Hauptkreis und dem Nebenkreis. Im Hauptkreis sind die Batterie A, das Relais B und der Fritter (Cohärer) C in Reihe geschaltet. Die ausserdem angeschlossene Antenne wird auf der Skizze Fig 82 nicht gezeigt. Wird in der Fritter-Glasröhre ein Hochfrequenzsignal wahrgenommen, "kleben" die locker plazierten Eisenfeilspäne zwischen den Dauermagnet-Elektroden zusammen und geben elektrischen Kontakt.
Das Relais schaltet den Nebenkreis durch. Das gesendete Hochfrequenzsignal ist detektiert. Der Fritter muss sorgfältig auf höchste Empfindlichkeit justiert werden, ohne dabei aber die Morsezeichen zu verfälschen. Im Nebenkreis liegen die Nebenkreisbatterie a, der Morseschreiber b (Klingel) und der Klopfer c ebenfalls in Reihe. Das hat zur Folge, dass der Morseschreiber (Klingel) das Signal "aufschreibt" oder im Jubiläumsversuch einen Klingelton abgibt. Gleichzeitig erhält aber auch der Klopfer (auch ein Relais) Strom und klopft leicht (justierbar) an das Fritter-Glasröhrchen. Dadurch werden die "verklebten" und somit leitenden Eisenspäne "entklebt" und der Kontakt unterbrochen. Der Morseschreiber geht auf Null (die Klingel hört auf), der Empfänger ist wieder bereit für das nächste Hochfrequenzsignal oder bei Andauern des Signals wird es weiter (wiederholt) angezeigt. Die nun beschriebenen Aspekte des Versuches werden in der zeitgenössigen Literatur selten angesprochen: Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Morsezeichen hinsichtlich von "Strich" (lang) und "Punkt" (kurz) unterschieden werden müssen. Bei den Slaby-Versuchen an der Sacrower Kirche konnte mit dem Induktor-Sender ein Quasi-Dauersignal gesendet werden, dass allerdings vom Induktor-Unterbrecherkontakt immer wieder sehr kurzzeitig unterbrochen wurde und zu einem schnarrenden Signal führte.
Der Fritterempfänger will ja ein gerade empfangenes Signal "festhalten", nur gebremst durch den Klopfer (Rücksteller). So war eigentlich das Signal bei einem Morsestrich vom Klopfer auch mehrmals kurzzeitig unterbrochen, aber durch das weiterbestehende Sender-Strich-Morsezeichen wurde sofort wieder auf "Signalempfang" zurückgeschaltet. So bildete sich ein Morsestrich und ein Morsepunkt aus einer Folge von kurzzeitig vom Klopfer unterbrochenen Signalen. Die maximal übertragbare Zahl von Morsezeichen pro Minute begrenzte sich natürlich dadurch. Es war aber so eine genaue Unterscheidung zwischen Morsestrich und Morsepunkt möglich. Das Morsealphabet kann überall im Internet eingesehen werden. Berühmt sind die Seenot-Zeichen geworden: "... ---..." (SOS) oft auch "Save our souls" nicht ganz richtig interpretiert. Ein R ist ein ".-." , ein e ist ein "." , ein T ist ein "-" usw. Vielen Dank auch an Ottmar Rücker für die Auskünfe zur praktischen Durchführung des Jubiläumsversuches..
Prinzipbild des Sendeversuches aus dem Buch "Entdeckungsfahrten in den
elektrischen Ozean" von A. Slaby.
A = Hauptbatterie, B = Relais, C = Fritter
a = Nebenkreisbatterie, b = Morseschreiber, c = Klopfer
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