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Onkel Willi und Cousin Heinz

 

... zurück zu den Zeitzeugen

 

willi-heinz.jpgZeitzeugen-Berichte sollten aus erster Hand stammen. Stimmt schon, aber hier in diesem Fall leben meine Zeitzeugen Onkel Willi (der Ehemann meiner Tante Hannchen (Schwester meines Vaters) und der Sohn von Onkel Willi, mein Cousin Heinz, nicht mehr.

 

Ich wage es trotzdem in Form von Hörensagen von den beiden zu berichten, weil beide eine direkte Beziehung zur Welt der alten Radios und zu meinem Lebensweg haben. Ich hoffe, ich trage alles richtig vor und kann Erinnerungsfehler vermeiden. Mein Leben mit den beiden liegt immerhin ca. 50 Jahre zurück.

 

Onkel Willi und Cousin Heinz, Foto von 1947 -->

 

Mein Onkel Willi wurde Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts geboren, wurde wohl gerade noch nicht als Soldat im ersten Weltkrieg 1914-198 eingezogen. Er erlernte den Beruf des Herrenschneiders, weil sein Vater ihm das vorschrieb. Onkel Willi hatte aber massiv Interesse an der Technik.

 

So kam es, dass er schon so ab ca. 1921 Gefallen am Detektorbau und Sende-Empfangsversuchen entwickelte. Er funkte damit mit einem Freund "schwarz" herum, wurde nie gefasst (Das private Funken war nicht erlaubt). Als 1923 (30.10.1923) vom Voxhaus in Berlin der deutsche Rundfunk begann, war er mit einem seiner Detektoren dabei, allerdings erst einige Tage später, weil ihn die Nachricht zum Voxhaus-Beginn zu spät erreichte.

 

Da Onkel Willi noch als ganz junger Mann kein Geld für die Anschaffung einen industriellen Radios hatte, kam neben dem Detektorempfang nur der Selbstbau eines Radios in Frage. Vorteilhaft war in diesem Zusammenhang sein Wohnort in Berlin, denn hier gab es schon früh Radio-Läden mit Bastlerzubehör-Bereich. In ländlichen Regionen mussten Radiobastler dagegen oft über Versandhandel an Bauteile kommen. Diese Geschäfte suchte er oft auf und versuchte preiswert Bauteile für einen Rückkopplungseinkreiser zusammen zu kaufen.

 

Er lernte hier auch weitere Bastler kennen, die sich irgendwann Mitte der zwanziger Jahre in einem Radioamateur-Verein zusammen schlossen.

 

<-- Telefunken 340WL (Katzenkopf)

 

Meiner Erinnerung nach war sein erster selbst gebauter Empfänger um 1924/25 betriebsbereit. Er erzählte mir, dass dieses Gerät sein liebstes war und blieb. Er hörte möglichst alles, was der kleine Einkreiser im offenen wilden Aufbau so an Hochfrequenz an den Kopfhörer hergab.

 

Besonders war der Empfang weiter entfernter Sender ausserhalb Berlins sein Vergnügen. Die ersten Jahre war er Schwarzhörer, weil ihm die Empfangsgebühr zu teuer war. Mir war auch so, dass er die Audion-Versuchserlaubnis hatte.

 

Mit stärker werdendem beruflichen Erfolg (er wurde privater Herrenschneider wohl auch Meister), konnte Onkel Willi nicht mehr soviel Zeit in das Radiobasteln investieren. Aber er konnte sich nun eigene Industrie-Radios leisten.

 

Diese Geräte standen neben seinem Schneidertisch (Scheidertische waren üblicherweise 3 x 2 Meter groß, der Schneider saß darauf im berühmten Schneidersitz und nähte oft von Hand). Ich bin mir sicher, dass eines dieser Radios ein Telefunken 340WL war, denn er sprach immer wieder mal vom Katzenkopfradio.

 

Später kaufte er 1937 den Saba 446WLK. Dieses Radio habe ich als Junge von ihm so um 1960 geschenkt bekommen. Es hatte einige Fehler, die ich aber als blutiger Anfänger beim Radiobasteln nicht hinbekommen und vermurkst habe (ein dunkles Kapitel meiner Radio-Karriere). Erst die Abgabe in der Radiowerkstatt Petsch in Berlin Alt-Reinickendorf brachte das Radio wieder auf Vordermann.

Saba 446WLK -->

 

Ich hatte um 1958 die Welt des Radiobastelns (über einen Detektorbauvorschlag im Micky Maus-Heft) kennen gelernt. Onkel Willi half mir über die ersten Hürden bei meinen Detektor-Versuchen mit Rat und Tat hinweg, dafür bin ich ihm recht dankbar.

 

Ich habe Onkel Willi noch, als er schon Rentner war, auf seinem Schneidertisch sitzend vor Augen, wie er Operettenmelodien vom  Tonbandgerät Philips RK14  über die Siemens Schatulle H42 hörte und dabei Herrenanzüge nähte.

 

Er hatte im Laufe der Jahre über 30 Tonbänder von Operetten-Sendungen vom RIAS und SFB mitgeschnitten. Mein Onkel Willi und meine Tante Hannchen lebten in einer großen Vierzimmerwohnung in Berlin Wilmersdorf mit zusätzlichen Hausmädchen-Zimmer, zwei Treppenhaus-Zugängen. War man in der Küche, hörte man die Operetten über ca. 20 Meter aus seinem Schneiderzimmer.

 

Der Sohn von Okel Willi, Heinz übernahm aber bald die Rolle des strengen Ratgebers für mich.

 

<-- Siemens H42

 

Heinz war in seiner Jugend von seinem Vater mit dem Radiobastler-Virus infiziert worden. Mein Cousin hatte durch schwere Kriegsverletzungen als Soldat im zweiten Weltkrieg ein Bein verloren und am Kopf, als Folge eines Granatsplitters, eine Silberplatte eingesetzt bekommen.

Philips RK14 -->

 

Als Kriegsinvalider mußte er sich umorientieren, bekam eine Kurzausbildung zum Rundfunk-Instandsetzer und begann  in der Werksreparatur und im Prüffeld bei Phonetika in Berlin Weissensee (später Stern-Radio-Berlin)nach dem Krieg zu arbeiten.

 

Heinz brachte mir das richtige Löten bei, wie man mit einem Meßgerät umgeht und erklärte mir so manche technische Zusammenhänge noch bevor ich 1964 mit der Lehre als Rundfunk- und Fernsehtechnker anfing. Ohne die beiden Verwandten hätte ich vielleicht einen anderen Beruf erlernt.

 

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27.10.2019

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