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Radio Moskau statt Bayrisches Fernsehen?
Eine Fernseher-Reparatur um 1970 mit ungeahnten temporären Folgen.

 

 

Um 1970 befand ich mich zu Besuch im Bayerischen Wald. Meine Wirtsleute baten mich, da sie Kenntnis von meinem Beruf als Radio-Fernseh-Techniker hatten, ob ich nicht bei Nachbarn den Fernseher in Ordnung bringen könnte.

 

Gesagt, getan. Als junger Techniker hatte ich immer meinen Röhrenkoffer (Servicekoffer) dabei.  Nach kurzer Fehlersuche stand der Fehler fest: Es war die PL36 defekt.

 

Es war so gegen 10:00 Vormittag.  Zuvor der Hinweis: Die Leute empfingen am Wohnort immer das erste Programm vom Ochsenkopf - Fichtelgebirge auf einem terrestrischen TV-Kanal im Band 1. Dieser Kanal war natürlich eingestellt. Und nun kommt es:

 

Die Röhre wurde eingesteckt, das Gerät eingeschaltet, das Bild kam, aber welcher Schreck!!!

 

Auf dem Schirm wurde das Testbild * von RADIO MOSKAU sichtbar !!!

 

Die guten Leute bekreuzigten sich, waren  fest überzeugt, dass ich ihren Fernseher kaputt gemacht oder zumindest verhext habe. (Zugegeben, ich war auch etwas verwundert, erkannte aber schnell aus meinen Erfahrungen als Funkamateur den Zusammenhang). Erst, als nach ca. 20 Minuten wieder das Bayerische Fernsehen sichtbar wurde, bekam ich mein Geld für die Röhre und die Reparatur.

 

Aber man bliebt mir (als Preußen, noch dazu aus Berlin) gegenüber doch weiter skeptisch ......... Ob ich nicht vielleicht doch mit dem Teufel im Bunde stände? Radio Moskau in Bayern, unglaublich!

 

* = Testbild: Damals sendeten Fernsehsender oft noch nicht den ganzen Tag, sondern strahlten zwischen den Programmblöcken Testbilder aus. Damit konnten Service-Techniker das Bild des TV-Geräts einjustieren.

 

 


 

 

Der technische Hintergrund zu dieser Anekdote Sporadic-E:

 

In diesen Jahren (1970) wurde das terrestrische Fernsehen noch analog moduliert in den Fernsehbereichen VHF Band 1, Band 3 und UHF Band 4, Band 5 ausgesendet.  Es gibt nun (auch) in den Bändern 1 und 3 eine Ausbreitungsbesonderheit:

 

Normalerweise haben diese Bänder (in Abhängigkeit von der Höhe der Sendeantenne und deren Standort (am Besten auf einem Berg) und dem Empfangsort)) typische Reichweiten von ca. 30 - 150 km, wenn es gut geht, vielleicht 200 km. So wäre also der Empfang eines (damals) sowjetischen Fernsehsenders aus dem ca. 1800 km entfernten Moskau unmöglich gewesen. Der eingestellte Sender bei den Nachbarn meiner Wirtsleute (Ochsenkopf, Fichtelgebirge) war ca. 140 km entfernt, also auch schon ein gutes Stück weg.

 

Es gibt nun einen physikalischen Effekt, der zu einer zeitlich begrenzten erheblichen Sendereichweiten-Vergrößerung führen kann: Wellenausbreitung via Sporadic E. Ursache sind recht seltene Sonnenaktivitäten (insbesondere im Zusammenhang mit dem 11-jährigen Sonnenflecken-Zyklus, der sein damaliges Maximum um 1969 hatte). Dabei werden Gas-Schichten in über 80 km Höhe über der Erde unterschiedlich ionisiert. Das führt zur Umlenkung der TV-Sender-Wellen, die dann nicht einfach  im Weltraum verschwinden, sondern an diesen Schichten weitergeleitet und zur Erdoberfläche zurückgebogen werden.

 

In den Jahren um ein Sonnenflecken-Maximum können mehrmals im Jahr diese Sporadic-E Überreichtweiten auftreten, zumeist dauern solche Ereignisse einige Minuten bis vielleicht 20-30 Minuten, teilweise mit starken Schwankungen. Dabei sind diese Überreichweiten über die Tageszeit nicht kreisrund ausgeprägt, sondern eher in Korridoren weitergeleitet. Vormittags geht es gut nach Osten, mittags nach Süden und abends nach Westen - immer grob der Sonne am Himmel folgend. Deshalb werden die Überreichweiten im Tagesablauf aus immer in andere Richtungen möglich.

 

Um 1970 lag nun ein solches Sonnenflecken-Maximum vor und war genau die Ursache für das "Durchschlagen" vom Testbild vom Radio-Moskau auf dem selben Kanal, wie der Bayerische Rundfunk. Radio Moskau sendete damals mit hoher Energie und konnte zeitweise den "Ortssender" wegdrücken.

 

p.s. Auch die oberen Kurzwellenbereiche (um 30000 kHz) sind betroffen, dort nennt man das "Short Skip". Besonders ist der Effekt auch im UKW-Rundfunk (Band II) zu beobachten.

 

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22.02.2018

 

 

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