Deutsche Funk- und Rundfunk-Geschichte. Sendestelle Nauen
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Nauen
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Sendegebäude, entworfen von Hermann Muthesius. Erbaut um 1920.
(Steht heute unter Denkmalschutz)
Einer der neueren vier Sender. Die Antennenabmessungen: 80 x 80 Meter, drehbar
Sendergebäude und oben die Antenne. Die modernen Sender können analoge (AM, SSB) und digitale Betriebsarten (z.B. DRM) nutzen. Für eine Halbdrehung braucht die Antennen ca. 3 Min. Die Antenne wiegt ca. 170 Tonnen, der Stahlbetonunterbau ca. 2000 Tonnen.
2014: Leider scheint es nicht zu gelingen (im Gegensatz zur "Funkerstadt Königs Wusterhausen") museal den funkhistorischen Ort darzustellen. Sogar das Stadt-Museum Nauen ist geschlossen worden.
Die alten Sendemaste als Strahlerwand
Schon damals kam es bald darauf an, möglichst viele Nachrichten pro Zeiteinheit zu verarbeiten. So wurde die Schnelltelegraphie eingeführt. Hier waren die Morsezeichen so schnell, dass Menschen sie nur noch schwer (insbesondere über Stunden des Arbeitseinsatzes) mitlesen, aber auch senden konnten.
Deshalb wurden die Morsezeichen in grafische Form umgewandelt. Auf Schreibstreifen konnten die Schnellnachrichten (als Punkt-Strich-Kombinationen) gelesen werden. Das aber stabil hinzubekommen, war technisch nicht ganz einfach, weil leistungsstarke Empfänger zu Eigenstörungen neigten.
Auch waren atmosphärische Störungen zeitweise hinderlich. So wurden besondere Empfänger für Morseempfang gebaut. Z.B. kamen Frequenzresonatoren zum Einsatz. Sehr hohe Morse-Geschwinigkeiten ließen sich auch nicht mehr mit Löschfunkensendern erreichen, hier waren Maschinensender und Lichtbogensender besser, da sie ungedämpfte Wellen erzeugten.
Beim Schnellsenden wurden ebenfalls Hilfsmittel eingesetzt, um vorbereitete Nachrichten SCHNELL automatisch zu senden.
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Einige Sendefrequenzen von Nauen: 03100 Meter (96 kHz) = Zeitsignal (tönende Funken) 09800 Meter (30,6 kHz) = Verkehr mit Spanien 13000 Meter (23 kHz) = Allgemein 17900 Meter (16 kHz) * = Verkehr mit Amerika
* = (Hinweis zu den 16 kHz: Das ist kein Schreibfehler, 16 kHz ist noch eine Audiofrequenz, die jüngere Menschen aus Piepton wahrnehmen können. Man sendete als bei ca, 20 kHz eher Niederfrequenz (NF), statt Hochfrequenz (HF).) |
Westlich von Berlin, finden Sie die kleine Stadt Nauen. Bei Nauen (ca. 12 km nördlich) ist eine historische Sendestelle zu finden. Von hier wurde schon seit 1906 weltweit gesendet. Übliche Sendefrequenzen lagen bei 20-100 kHz. Antennenlänge z.b. 2,4 km, im Erdreich ein ebenso großes Erdnetz. Modulation in Morsezeichen. Telefunken / Transradio war der Betreiber. Nauen sendete und empfing * u.a. Telegramme. Nauen war also bis 1940 keine Rundfunksendestelle.
Die drahtlose Telegraphie vereinfachte die Nachrichtenübertragung nach 1897 Schritt für Schritt erheblich. Bis dahin war für den weltweiten schnellen Nachrichtenaustausch ein Kabelnetz (teilweise mit sehr aufwändigen Unterwasser-Fernkabeln) nötig. Viele Störungen und Kabelausfälle und (aus damals deutscher Sicht) patentrechtliche und kartellrechtliche Beeinträchtigungen führten zum schnellen Ausbau eines drahtlosen und unbeeinflussten Telegrahienetz, welches nicht auf Fernkabel angewiesen war.
In Nauen wurden zuerst Knallfunkensender, später Loeschfunkensender (Tönende Funken) und Hochfrequenz-Maschinen und Röhrensender eingesetzt. (Das mit den Knallfunken war wörtlich zu nehmen: Die Morse-Signale waren akustisch noch zeitweise in Nauen zu hören.)
Die Sender von Nauen nutzten diverse Frequenzen. In den ersten Jahren sehr lange Wellen (Längstwelle, Langwelle) , also ungefähr oberhalb 15 kHz (20000 Meter) bis 50 kHz (6000 Meter), aber stärker bis 150 kHz und mehr (2000 Meter und kürzer * ). Erst die Hochfrequenzmaschinen und bedingt auch die Lichtbogensender brachten stabile ungedämpfte Schwingungen zustande. Allerdings waren für die Rotationsmaschinen (Maschinensender) hohe Sendefrequenzen nicht so einfach mit hohen Sendeleistungen zu realisieren.
* = Quelle: Rückblickend (also ab ca. 1909) auf den Schiffsfunk von Nauen nach dem System Arco "Tönende Funken (auf 3000 Meter = 100 kHz) das Buch "Die drahtlose Telegraphie und Telefonie", Paul Fischer, Teubner Berlin, 1925, Seite 56. * = Quelle: Hinweis auf Wetterbericht-Frequenz mit Löschfunkensender in Nauen auf Welle 3900 Meter = 76 kHz. Buch "Die neuesten Erfindungen auf dem Gebiet der Elektrizität besonders der Radiotechnik", Victor Achenbach, Seite 48, 1924, Herlet und Hetzel.
Die Systeme Arco und Goldschmidt waren (vor der Gründung von Telefunken) Konkurrenten **. Je mehr Pole ein solcher Dynamo hatte, desto höher konnte die Frequenz sein. Durch Frequenzverdoppler/Verdreifacher-Schaltungen (auch mehre hintereinander) wurde die Frequenz hochgetrieben. Es gab Konzepte für maschinen-interne und externe Frequenzvervielfacher. Gerade Sendefrequenzen unter 30 KHz brauchten riesige Antennen (z.T. in Länge und Breite und Höhe) und ein großes Erdnetz (am Besten mit einem nassen sumpfartigen Untergrund) , um einen gewissen Wirkungsgrad zu erzielen.
Insgsamt war eine hohe Resonanz und damit Selektivität damaliger Großantennen ein technisches Problem, zumal auch die Sender teilweise ein breites Signal abstrahlten.
Eine der korrespondierenden Stationen in den USA war Long Island (Sayville) bei New York. 1920 wurde das neue Sende-Gebäude bei Nauen (von Herman Muthesius, siehe Photo links) eingeweiht. Man versuchte, mit der Funkentelegraphie fehlende Untersee-Transkontinental-Kabelstrecken zu kompensieren. Aus damals deutscher Sicht sollten auch die Übersee-Kolonien unabhängig von anderen Diensten mit Nachrichtenverbindungen versorgt werden. So gab es z.B. korrespondierende Gegenstellen auch in Togo (Kamina), Kamerun, Deutsch-Ostafrika (Daressalam). Während des ersten Weltkrieges wurden auch miltärische Aufgaben (Marine und Luftschiffe) erledigt.
Die "Transradio" Gesellschaft führte weltweiten Funkbetrieb durch. Gesendet wurde Hochgeschwindigkeits-Morse- Code. Telegramme konnten auch in Büros in Berlin und anderen Städten aufgegeben werden. Auch Zeitzeichen wurden gesendet.
Da sich im Laufe der Jahre herausstellte, daß Kurzwellen für weltweiten Funkbetrieb besser geeignet waren, als die ürsprünglich verwendeten Längstwellen, konnte man zunehmend viele Spezial-Antenne in Nauen für jeweilige Gegenstationen und Himmelsrichtungen aufstellen (oft Rombus-Antennen). Ein Geländekarteaus den achtziger Jahren zeigt z.B. über 30 solcher Antennen.
Ab 1940 wurde auch Rundfunk gesendet. Ab 1957 sendete aus benachbarten Gebäuden "Radio Berlin International", "Deutscher demokratischer Rundfunk".
Seit 1990 war die die "Deutsche Welle" für einige Jahre von Nauen aktiv (um2011 stellte aber die "Deutsche Welle" auch den Kurzwellenrundfunk aus Nauen wieder ein, weil man auf Internet setzte.
1996/97 wurden vier neue KW-Sender (siehe Photo links) mit jeweils 500 kW in Betrieb genommen. Sender und Antenne bilden eine Einheit (Foto eines der vier Senderäume ), der vertikale Erhebungswinkel der Antenne kann elektronisch beeinflußt werden. Die alten KW-Sender aus DDR-Zeit waren noch eine Zeitlang im Reserve-Betrieb.
Die alte Dreh-Antenne (siehe Photos weiter unten) war weltweit bekannt. Technisch funktionierte sie aber auf den Feuchtwiesen nicht optimal, die beabsichtige Steilstrahlung war nicht sicher zu erreichen. Ein Teil der alten Antennen-Anlage ist 1999 abgerissen worden. Die alte Dreh-Steil-Antenne ist jetzt ein Baudenkmal.
Nachtrag 2011: Die "goldenen Zeiten" des Kurzwellen-Rundfunks gehen in Deutschland zu Ende. Man glaubt heute, im Zeitalter des Internets und der Telefon-Handys terrestrischen Rundfunk auf KW nicht mehr zu brauchen.
Ob sich das in Krisenlagen und Katastrophen und bei Zensurmassnahmen in einigen Ländern wirklich bewähren wird, ist zu bezweifeln. Noch lange Zeit wird es riesige Regionen auf der Welt ohne preiswerten Massen-Internet-Zugang geben. Wie hört man dort dann Radio aus Deutschland?
Nachtrag 2012: Die "Deutsche Welle" hat ihren deutsprachigen Dienst auf Kurzwelle eingestellt und koppelt damit Deutsche und Deutschstämmige in vielen Teilen der Welt von einer zensurfreien Berichterstattung aus, mir völlig unverständlich!
Schon nach ca. 15 Jahren des sehr teuren Neuaufbaus der Sendestelle ist diese Station kaum noch ausgelastet, ein Ende ist abzusehen.
** = Siemens und AEG waren vor der Gründung von Telefunken Konkurrenten im Bereich der drahtlosen Telegraphie, hatten jeweils viele Patente und behinderten sich durch gerichtliche Auseinandersetzungen. Durch "sanften Druck" des Kaisers Wilhelm II wurde schließlich von beiden Firmen Telefunken (Tele für weit und Funken für Funk) gegründet. Dadurch bekam die deutsche drahtlose Telegraphie ein viel besseres Standing. Die Firma Lorenz blieb Konkurrent (z.B. auch durch die Versuchsstelle Eberswalde).
Mehr zum Thema "Kurzwelle am Ende": Rettet-unsere-Radios. |
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Um einen ungestörten Empfang der Funknachrichten im Zusammenhang mit der Sendestelle Nauen sicherzustellen, wurde später (1919) in Geltow bei Potsdam eine abgesetzte 30 km von Nauen entfernte Empfangs-Station gebaut. Zuvor wurde getestet, ob nicht in der Nähe von Naumburg (200 km entfernt) die elektrische Trennung zum Sender besser wäre. Die damalige Empfangstechnik war noch nicht besonders selektiv, der eigene Sender konnte bei Duplexbetrieb (gleichzeitig senden und empfangen) den Empfang der fernen Stationen unmöglich machen.
Aus x2
In Geltow dagegen störten die starken Sende-Signale der Nauen-Sender (insbesondere auf der Amerika-Strecke) nicht den Funkempfang, bei auch hier guter Bodenleitfähigkeit des Geländes. Telefunken hatte damals in Geltow schon ein Funk-Gelände. Noch besser wäre funktechnisch die Gegend um Groß-Kreutz gewesen, um noch stärker zu Nauen entkoppeln zu können. Der Aufwand für dei verwendeten Empfänger war teilweise erheblich. Für Ungedämpfte Wellen wurden auch Überlagerer eingesetzt.
Geltow wurde weiter ausgebaut. Zu Beginn gab es nur einen Empfangswagen, bald kamen Baracken-Gebäude (siehe Photo links) hinzu. Schließlich wurde der "Amerika-Turm" aufgebaut. In diesem teilweise gemauerten Turm war wetter-geschützt eine Drehrahmenantenne zum Amerikaempfang und darunter der Empfangsraum untergebracht.
Die empfangenen Telegramme und Nachrichten wurden zunächst direkt in Geltow von den Funkbeamten abgehört, notiert und nach Berlin über Kabel weitergegeben. Später geschah die Telegramm-Annahme automatisch (insbesondere bei der Schnelltelegraphie), die Funkbeamten wurden zu "Abstimmbeamten", mit der Aufgabe, die Anlagen betriebsbereit zu halten. In Berlin befand sich auch ein Telegrammannahme- und Ausgabe-Büro.
Man findet über die genaue Lage der ehemaligen Empfangsstelle Geltow nur wenig Informationen. Deshalb freut es mich, nachfolgend eine Ortsskizze der genauen Lage der damaligen historischen Anlagen zeigen zu können. Mir ist derzeit keine andere solche Skizze bekannt. Bei der Ortsermittlung hat mir Herr Bruno Möller + aus Geltow wesentlich geholfen, da er ein echter Zeitzeuge ist. Vielen Dank dafür.
Bedingt durch die dichte Lage an der Havel, konnte es vorkommen, dass Teile des Geländes unter Wasser standen, es wurden dann auch schon mal Notstege auf Stelzen aufgebaut, um den Zutritt zu einigen Gebäuden zu ermöglichen. Allerdings zog wegen den dann doch beengten Platzverhältnissen die Empfangstelle 1928 nach Schönefeld bei Beelitz um. Informationen zu Beelitz Schönefeld weiter unten.
Lage-Skizze der Empfangsstelle Geltow bei Werder / Potsdam
Skizze oben (23.08.2013): Empfangsstation Geltow. Die Skizze zeigt einen Großteil der funktechnischen Einrichtungen im örtlichen Bezug. Allerdings wurden im Laufe der Betriebsjahre wiederholt Änderungen, Umbauten und Neubauten (auch bei den Antennen) errichtet.
* = Goniometer-Antennen: Diese Antennen sind im Grunde genommen Kreuzrahmen-Antennen, die über ein Mehrspulen-System mit einer drehbaren Komponente so gesteuert werden können, dass sie eine variable Vorzugsrichtung haben. In Geltow wurden zwei dieser Antennen (andere Quellen sprechen von drei Antennen) über Kabel so zusammen geschaltet werden, dass sich die Richtwirkung noch steigern konnte. In Geltow waren in jeweils ca. 2 km Goniometer-Antennen mitten-symmetrisch (Skizze Punkt 7 und 8, bzw. auch Punkt 3 oder 4) zum Betriebsgelände platziert worden. |
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Funkamt Beelitz bei Schönefeld (Funkempfangsstelle): Es stellte sich nach einigen Betriebsjahren in Geltow heraus, daß das dortige Gelände für die vielfältigen Empfangsaufgaben zu klein wurde. Es wurde ein hinreichend großes Gelände am Südost-Rand von Beelitz gefunden, wohin dann ab 1928 / 1929 die Betriebsstelle Schritt für Schritt umzog. Es wurde hier auch ein "richtiges" Steinhaus (siehe Photo rechts) mit Obergeschoss erbaut. Später folgten weitere Gebäude.
Zunächst wurden auch Längstwellen-Antennen (wie z.B. gekoppelte Goniometer-Antennen-Gruppen) errichtet. Zuerst waren die beiden Goniometer-Spulen mittensymmetrisch zur Empfangsstelle in Nordwest-Südost-Richtung im Einsatz. Es folgten zwei weitere Goniometer-Antennen mit ca 4 km Abstand mittensymmetrisch zur Empfangsstelle ebenfalls in Nordwest-Südost-Richtung. Diese beiden Antennen standen direkt südlich von Beelitz und südöstlich von Rieben.
Es kamen aber auch immer mehr Kurzwellen-Antennen hinzu. Dabei gab es Rombus-Antennen, aber auch Vorhang-Antennen. 1942 waren auf dem Gelände über 30 Antennnen im Einsatz. (Photo links: Blick auf einen Teil des ehemaligen Antennengeländes. Der Weg links führt zu den ehemaligen Betriebsgebäuden.)
Auch erweiterten sich im Laufe der Jahre die Aufgaben: Telegramme, Pressefunk, Wehrmachtfunk, andere Dienste, usw.
Um 1937 sollte auch das MUSA-Rhombusantennen-Gruppen-System eingeführt werden. Dabei sollten mehrere Rhombusantennen phasengenau mit doch erheblichen technischen Aufwand zusammengeschaltet werden. Dadurch sollten schnelle Fadingeffekte durch Veränderung der Richtungskeule teilweise kompensiert und auch die Empfangsfeldstärke in der Vorzugsrichtung erhöht werden. Tatsächlich ist das Projekt aber nicht vollendet worden, da Telefunken erhebliche technische Schwierigkeiten nicht überwinden konnte. Beabsichtigt waren wohl bis zu 6 Rombusantennen. (X3)
Weil auch in Schönefeld / Beelitz für diese weiteren Rhombus-Antennengruppen zu wenig Platz war, wurde bei Elsholz (ca. 4 km südwestlich von Beelitz) eine weitere solche Anlage zumindest teil-installiert.
Die Funkstelle Schönefeld / Beelitz war während der DDR-Zeit mit vielen Aufgaben betraut (u.a. auch als Empfangsstelle für Rügen-Radio) und hat auch das Ende der DDR nicht lange überdauern können, schon 1991 wurde der Betrieb eingestellt. |
Quellen-Hinweise:
Danksagungen an:
Bruno Möller, Geltow
Manfred Uhlemann, Heimat-Verein Geltow e.V.
Heinz Komm + , DL1RSN, Beelitz
DM2ARD (Musa-Verfahren) (x3)
1996 / 30.01.2012 / 11.05.2019
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